Die Revolution in der Ukraine 2013/14 führte über mehrere Eskalationsstufen bis zum Krieg in der Ostukraine. Anbei eine Chronologie der wichtigsten Ereignisse.
Christian Weisflog und Ivo Mijnssen
4 min
2013
21.November: Unter russischem Druck verweigert der ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch die Unterschrift unter das Assoziierungsabkommen mit der EU. Vor allem Studenten gehen in Kiew dagegen auf die Strasse.
30.November: Die Polizei verprügelt die Demonstranten auf dem Platz der Unabhängigkeit (Maidan Nesaleschnosti). Das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte weckt den Widerstand in der breiten Bevölkerung. In den folgenden Wochen finden in der Hauptstadt regelmässige Demonstrationen mit bis zu 800000 Teilnehmern statt. Sie besetzen dabei auch mehrere Verwaltungsgebäude und fordern den Rücktritt des Präsidenten. Gegen Jahresende flauen die Proteste allerdings ab.
2014
16.Januar: Das ukrainische Parlament schränkt mit einem drakonischen Gesetz die Versammlungs- und Meinungsfreiheit ein. Daraufhin flammen erneut Demonstrationen auf – und schlagen um in Gewalt. Um eine Räumung des Maidan zu verhindern, werden Barrikaden mit brennenden Autoreifen errichtet.
Ihren Anfang nahm die ukrainische Maidan-Revolution im November 2013 (im Bild), doch ihren Höhepunkt erreichte sie am 21.Februar 2014. (Bild: Sergei Dolzhenko / EPA)
18. bis 20.Februar: Die Sicherheitskräfte schiessen mit scharfer Munition auf die Demonstranten. Rund 100 Personen werden getötet, knapp 1000 verletzt.
21.Februar: Unter polnischer, französischer und deutscher Vermittlung einigt sich Janukowitsch mit Vertretern der Opposition auf einen Kompromiss: Rückkehr zur parlamentarischen Verfassung von 2004, ein Amnestiegesetz und vorgezogene Präsidentschaftswahlen in zehn Monaten. Die Demonstranten auf dem Maidan aber lehnen das Abkommen ab und fordern Janukowitschs sofortigen Rücktritt.
Ulrich Schmid, Kiew
22.Februar: Janukowitsch verliert den Rückhalt in den eigenen Reihen und vonseiten der Sicherheitskräfte. Er flieht in der Nacht in die Ostukraine und später mit russischer Hilfe von der Schwarzmeerhalbinsel Krim nach Russland. Das Parlament in Kiew wählt derweil eine Regierung und einen Übergangspräsidenten.
27.Februar: Bewaffnete Männer umstellen das Regionalparlament auf der Krim. In einer irregulären Abstimmung wählen die Abgeordneten eine neue Regierung und beschliessen ein Unabhängigkeitsreferendum. Der Kreml setzt russische Soldaten ohne Hoheitsabzeichen ein, um die Halbinsel zu annektieren.
3.März: Der russische Uno-Botschafter präsentiert im Sicherheitsrat einen Brief von Janukowitsch an den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Darin fordert er den Kremlchef auf, seine Armee einzusetzen, um in der Ukraine wieder für «Gesetz und Ordnung» zu sorgen. Bereits am 1.März hatte der russische Föderationsrat einen Truppeneinsatz in der Ukraine genehmigt. Russland hatte an der Ostgrenze der Ukraine bereits rund 40000 Soldaten konzentriert und führte Manöver durch.
April: Von Moskau aus koordiniert, stürmen prorussische Demonstranten im Süden und Osten der Ukraine die regionalen Verwaltungen. Dabei werden auch junge, kräftige Männer in Bussen aus Russland über die Grenze zu den Protesten gefahren. Am 12.April besetzt ein aus der Krim eingesickertes Kommando unter Führung von Igor Girkin, einem Reserveoberst des russischen Geheimdienstes, die Stadt Slowjansk im Donbass. Es ist der Beginn des Krieges in der Ostukraine.
17.Juli: Prorussische Separatisten schiessen über der Ostukraine ein ziviles Flugzeug ab. Alle 298 Passagiere an Bord der MH17 kommen ums Leben. Die Eskalation führt zu einer heftigen internationalen Reaktion. Die USA und Europa verschärften ihre als Folge der Krim-Annexion verhängten Sanktionen gegen Russland, und die Konfliktparteien unterzeichneten in der Hauptstadt von Weissrussland am 5. September das erste Minsk-Protokoll.
2015
12. Februar: Das zweite Minsker Abkommen wird unterzeichnet. Es bleibt mehrheitlich toter Buchstabe: Weder ziehen die Konfliktparteien ihre schweren Waffen aus dem Konfliktgebiet ab, noch kommen politische Lösungsansätze wie Dezentralisierung und eine Autonomieregelung für die Ostukraine vom Fleck. Auch die zahlreichen Waffenstillstände seit 2014 werden stets nur teilweise eingehalten.
2018
25. November: Bei der Meerenge von Kertsch im Schwarzen Meer kommt es erstmals zu einer direkten militärischen Konfrontation zwischen Russland und der Ukraine. Russische Küstenboote beschiessen dabei ukrainische Kriegsschiffe, welche versuchten, ins Asowsche Meer zu gelangen. 24 ukrainische Marineangehörige befinden sich seither in Russland in Haft.
2019 bis 2021
Wiederholte Versuche, mit Friedensgesprächen und dem Minsker Abkommen einen Waffenstillstand zu erreichen, scheitern immer wieder. Fast tägliche Gefechte und Scharmützel im Donbass setzen sich fort. Dabei sind zwischen 2014 und 2021 über 11000 Kämpfer und 4000 Zivilisten ums Leben gekommen. Die Kampfzonen in der Ostukraine mit kriegszerstörten Dörfern und Städten, die annektierte Halbinsel Krim, immer neue Gräber auf den Friedhöfen und zweieinhalb Millionen Binnenflüchtlinge sind Zeugnisse des Zerwürfnisses zwischen Russland und der Ukraine.
Bis 2014 waren die Befürworter eines Beitritts der Ukraine zur Nato klar in der Minderheit. Seither nimmt ihr Anteil stetig zu. Die politische und militärische Einmischung Russlands führt dazu, dass die ukrainische Bevölkerung sich weiter dem Westen zuwendet.
2022
23. Februar: Wladimir Putin erklärt der Ukraine den Krieg. In der Nacht auf den 24. Februar überqueren erste Verbände einer in den Vormonaten in die Region verlegten riesigen russischen Streitmacht von geschätzt 190000 Militärangehörigen die Grenze zur Ukraine. Eine grossangelegte Invasion des Nachbarlandes beginnt. In den Wochen und Monaten davor hatte Putin immer wieder von der Nato uneingelöste Sicherheitsgarantien verlangt und der Ukraine die staatliche Souveränität abgesprochen.
Corina Gall, Dominic Nahr
Julia Monn
Markus Ackeret, Moskau
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